Ich bin auf dem Weg zu meinem Terminal im Flughafen. Und suche, wo ich im teuren Flughafengeschäft etwas zu essen kaufe, um nicht nachher im Flugzeug die noch teureren Miniportionen zu erstehen.
Das Terminal ist ein hohes Gebäude, hat den Charme einer Industriehalle und ein Geschäft mit blinkender Werbung folgt dem nächsten. Buchgeschäfte, Accessoires, Kleidung für alle Gelegenheiten. Parfüm, Schmuck und Andenken jeglicher Coleur. Alles Dinge, von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich das sie dringend vor dem Abflug noch bräuchte.
Mittendrin weist ein unauffälliges Schild zum „Multi-faith room“. Das spricht mich an. Der Tag war schon gut gefüllt bis hierhin. So ein Moment der Ruhe und des Friedens wären jetzt toll. Im Hinterkopf habe ich schlicht-schöne Andachtsräume, die ich aus anderen Flughäfen kenne. Dort gab es dezente Kunst, eine Bank oder Stühle, eine Kerze, schönes Licht. So bin ich gespannt und gehe mal gucken.
Als erstes sieht der Gang vor dem Gebetsraum aus wie der Gang zum Wartezimmer im Jobcenter oder einer anderen Verwaltung. Hellgraue Wände treffen Plastikschalenstühle. Das Licht ist so mittelhell und nicht so einladend. Und dann zweigt plötzlich ein kleiner Gang nach rechts ab, in dem einige Schuhpaare stehen. Die Tür zum Gebetsraum ist offen und ich sehe, dass einige Muslime gerade ihr Abendgebet darin verrichten.
Als ich das sehe, will ich mich gerade umdrehen und wieder gehen. Ich möchte Betende nicht in diesem intimen Moment der Gottesbegegnung und des Heiligen stören. Ein Mann bemerkt mich. Er ist kleiner als ich, einige älter, trägt eine Flughafenuniform und hat ein gewinnendes Lächeln. „Come in“. Er winkt mit beiden Händen und redet kein Stück leise. Ich sage: „No, thanks“. Er bleibt dabei: „Oh yes, come in. Feel free.“ Ich komme kurz ins Grübeln. Aber nein, das ist mir doch nichts. Durch den Augenwinkel sehe ich auch, dass einer der Betenden einen ziemlich beeindruckenden Bart und Kleidung trägt, die mich an sehr strenggläubige Muslime erinnern. Das fühlt sich nicht so angenehm an, dann in diesem Raum zu sein, aus dem ich vielleicht auch nicht so leicht wieder heraus kann, ohne die Betenden zu stören. Ich drehe mich schon halb weg und setze gerade an, wieder zu gehen. Aber der Mann lässt nicht locker: „Please, come in.“ Er lächelt so nett und ich lasse mich doch darauf ein.
An etlichen Schuhpaaren vorbei und einer Handvoll betender Männer gehe ich in den erstaunlich kleinen Gebetsraum. Wie es sich draußen schon angekündigt hatte, setzt sich der Industriecharme im Inneren dieses heiligen Raumes fort. Mittelgraue Wände umschließen einen fünf mal vier Meter großen, mit abgewetztem Teppich ausgelegten, schmucklosen Raum. Ein grauer Vorhang teilt ihn in den Männer- und den Frauenbereich. Ein bisschen bin ich schon vom Aussehen dieses Raumes enttäuscht. So wenig? So wenig heilig und ästhetisch eingerichtet?
Ich schlüpfe an den betenden Männern vorbei in den Frauenbereich. Zwei Frauen beten, eine dritte liegt friedlich an der Seite auf dem Teppich und schläft. Die beiden betenden Frauen sind vertieft in ihre Bewegungen und Worte und wirken ganz eins mit sich und der Welt. Ich setze mich still hin und schließe die Augen. Das Murmeln der Gläubigen ist zu hören. Das Summen der Klimaanlagen. Ein kurzer, schöner Moment der Ruhe. Am Ende findet sich in diesem grauen Raum eine Stimmung, die ich im ganzen glitzernden Flughafen nicht gefunden hatte: Eine freundlich ausgestreckte Hand, eine Einladung zum Teilen eines besonderen Momentes. Danke.
Siehst du, diese Erfahrung hätte ich nicht machen können, denn ich nehme immer leckere frischgeschmierte Brote mit, um nicht teueres Geld im Flugzeug kaufen zu müssen. Also muss ich mich nöchstes Mal umsehen…