„Wie geht’s euch eigentlich – Jüdisches Erleben in Kreuzberg und Neukölln nach dem 7. Oktober“

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„Wie geht’s euch eigentlich?“, hat heilig.Berlin gefragt. Die Frage richtet sich an jüdische Nachbarinnen und Nachbarn. Was haben sie seit dem Überfall der Hamas in Südisrael erlebt – mitten in Kreuzberg und Neukölln? Vor welchen Herausforderungen steht jüdisches Leben? Mit gezielten Fragen und großer Sensibilität schafft Moderatorin Juni Hoppe, Beauftragte für den interreligiösen Dialog im Evangelischen Kirchenkreis Neukölln, einen geschützten Raum des Vertrauens.

„Der Schock war unbeschreiblich“, berichtet Nina Peretz vom Vorstand der Fraenkelufer-Synagoge. „Jeder von uns hat direkten Bezug zu Israel.“ Aber auch hierzulande sind die Fronten verhärtet. Jetzt normales jüdisches Leben zu führen, ist nicht leicht. Und doch gibt es unglaublich viel Solidarität. Die Synagoge setzt ihre Netzwerkarbeit fort. „Wir sind Kreuzberger, wir haben muslimische Freunde, wir arbeiten in vielen Kooperationsprojekten zusammen.“

Bezirksbürgermeister Martin Hikel betont: „Es ist entscheidend für das Zusammenleben in unserer Stadt, dass wir uns gegenseitig unterstützen und füreinander da sind, insbesondere in schwierigen Zeiten. Durch Solidarität im Alltag können wir positive Veränderungen bewirken und eine starke Gemeinschaft aufbauen, die auf Respekt und Zusammenhalt basiert.“ Nach dem Überfall vom 7. Oktober hat das Bezirksamt bewusst die Israel-Flagge gehisst. Bis heute ist das Rathaus Nacht für Nacht weiß-blau illuminiert.

Rabbiner Jeremy Borovitz ist mitten in Neukölln Direktor für jüdisches Leben und Lernen bei Hillel Deutschland. Mit seiner Frau hat er 2019 den Anschlag von Jom Kippur in Halle überlebt. Jetzt, nach dem 7. Oktober, ist sein Leben wieder „eine richtige Achterbahn“. „Ich habe viel Angst“, bekennt der Rabbiner. Trotzdem will er sich in einer Welt, der es an Vertrauen fehlt, immer wieder für das Vertrauen entscheiden. „Hier ist meine Heimat. Ich lebe hier. Und wenn ich hier leben will, brauche ich Freunde.“ Er hat erlebt, wie ihn interreligiöse Freundschaften tragen und ihm das Gefühl von Sicherheit geben.

Hakan Demir berichtet über verschiedene Begegnungen in Neukölln, die er als Bundestagsabgeordneter in seinem Wahlkreis erfahren hat. Ein Deutsch-Israeli, der in der Nähe der Sonnenallee äußerte seine Sorge, als Israeli erkannt zu werden. Eine Mutter aus einem muslimischen Land hat Angst um ihren Sohn in der Schule, weil man ihn aufgrund von Vorurteilen als Hamas-Mitglied ansehen könnte. Für Hakan Demir ist klar: „Die gegenseitige Verständigung und der Respekt füreinander sind Schlüssel für ein harmonisches Zusammenleben und den Aufbau einer inklusiven Gesellschaft.“

Seit dem Anschlag versammeln sich jeden Freitag Nachbarinnen und Nachbarn vor der Fraenkelufer-Synagoge zu einer stillen Mahnwache, während innen die Beterinnen und Beter den Schabbat begrüßen. Jonathan Perleth erzählt davon und welche Kraft von dem Zusammenhalt ausgeht: „Gemeinsam können wir Herausforderungen überwinden und eine starke Gemeinschaft aufbauen, die füreinander da ist und sich gegenseitig unterstützt, um positive Veränderungen zu bewirken.“

Mit Laura Pilch und Jana Kaufmann-Päschel haben die Zuhörerinnen und Zuhörer zwei engagierte Anwältinnen des Publikums. Sie bringen die ihnen zugetragenen Rückfragen und Meinungsbeiträge in das Gespräch mit dem Podium ein. „Was kann man machen, außer zur Mahnwache zu gehen? Was kann ich ganz besonders auch im Alltag tun?” Es wird deutlich: Es gibt ein Interesse an konkreten Handlungsmöglichkeiten – für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus im Umfeld.

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