Eigentlich wollten wir am 23. Oktober 2018 nur eine neue Folge für unseren “heilig.Berlin Podcast” aufnehmen. Im Vorgespräch stellten wir allerdings fest, dass uns die Vorgänge in der Kirche, zu der wir alle drei gehören, so sehr bewegen, dass wir darüber gerne miteinander sprechen würden. Am 13. Oktober waren nach einer vorausgehenden öffentlichen Debatte von der Weltkirchenleitung unserer Kirche Entscheidungen getroffen worden, die in uns Widerstand hervorbrachten.
Und so dachten wir, nehmen wir auf, was uns bewegt. Vielleicht geht es anderen damit ähnlich. Vielleicht auch ganz anders.
Wir sprechen darüber wie es weitergehen könnte in und mit der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland und der “Seventh-day Adventist Church” weltweit. Und vor allem reden wir darüber, wie es uns mit den Entscheidungen geht und was wir empfinden.
Weil das aber eine extreme Binnenperspektive ist, haben wir das Gespräch dazu ausgelagert und außerhalb des Feeds des “heilig.Berlin Podcasts” ins Netz gestellt. Der Feed trägt den Titel “Adventistika”. Ob wir diese Schiene nochmal befüllen, wissen wir nicht.
Kommentare sind an dieser Stelle herzlich willkommen.
Hab’s jetzt erst gehört. Ich finde es spannend, dass Ihr organisierte Formen, das Evangelium zu leben, bevorzugt. Das ist so nicht ganz mein Weg. Ich lebe einfach authentisch mit meiner nichtgläubigen Basis, in meiner Ehe, Familie, ehemaligen Arbeitskolleginnen und Freunden. Und da passiert ungeplanter, wohlwollender Austausch, ich mit ihnen, sie mit mir. Neugierig und entspannt miteinander leben und sich füreinander interessieren. Das ist meine Art, das Evangelium zu leben außerhalb der Gemeinde. Ich trenne zwischen der Ortsgemeinde, die für mich auch als Hauskreis etc. stattfinden kann, und meiner nicht-gläubigen Basis. Zu meiner Gemeinde gehe ich, um Geschwister im Glauben zu treffen und diesen Glauben in Form von Anbetung, Abendmahl und Hören auf Gottes Wort zu praktizieren. Und natürlich passiert auch hier das Gleiche wie bei meiner anderen Basis: ungeplanter Austausch und authentisches, wohlwollendes Miteinander. Ich weiß aus jahrelanger Erfahrung, dass ich beide Welten nicht miteinander in Einklang bringen kann und habe auch nicht mehr diesen Anspruch. Verkrampfung tötet Liebe. Auf Gottes Art zu leben passiert erstaunlicherweise (oft) in beiden Welten, in der gläubigen und der nicht-gläubigen. Letztlich ist doch alles nur Gnade.
Hallo Kerstin,
danke für den Gedanken. Ich bin irgendwie ziemlich stark ins Fahrwasser von Kirchenpolitik eingetaucht und als “Preacher Kid” kenne ich Gespräche über Zukunft von Kirche schon von klein auf am Essenstisch. Ich gestehe, dass ich manchmal fast überascht feststelle, dass ziemlich viele Leute wahrscheinlich zu einer STA Ortsgemeinde gehören, die wenig, bis gar nix von dem strukturellen Überbau wissen (wollen) und beim Essen sich über ganz andere Themen unterhalten 🙂 . Womöglich hat das auch damit zu tun, dass es einem als Gemeindeglied relativ egal sein kann, was die Kirchenleitung sagt. Als Angstellter sind die Auswirkungen wesentlich spürbarer.
Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich “organisierte Formen, das Evangelium zu leben” bevorzuge. Ich stimme dir nämlich zu, dass christliche Gemeinschaft keine Organisationsform benötigt. Ich würde nur sagen, gewisse Formen von Organisation bilden sich normalerweise bei Gruppen heraus, die Dinge gemeinsam tun und das über längere Zeit.
Ich denke, man muss von Zeit zu Zeit immer wieder mal abwägen, ob der Grad der Organisation aktuell noch mehr Vorteile als Nachteile hat. Aber ein Entscheiden, was man mit der Organisation anfängt, das ist ja nicht nur die rationale Seite, sondern daneben gibt’s noch viele Anteile von gemeinsamer Geschichte und sozialen Verknüpfungen, weshalb ein Aufdrößeln dann doch gar nicht so einfach ist.
Hmm, ich verstehe, was Du meinst. Das macht auch Sinn für einen Adventisten in der x-ten Generation. Aber es ist schwieriger für Nicht-hinein-Geborene.
“Gemeinsame Geschichte”: haste nicht/kaum als Konvert*in. Das ist oft wenig tragfähig bei jemandem ohne Adventi-Elternhaus: keine Kindersabbatschule, nie Reli, nie HiLa, nie zusammen aufwachsen, einfach eine komplette Kinder- und Jugendzeit und junge Erwachsenenzeit GANZ anders. Das machen sich viele Hineingeborene einfach nie klar. Welche gemeinsame Geschichte?
“Soziale Verknüpfungen”: haste auch so gut wie kaum/nicht als Konvertit*in zumindest oft nicht in der Familie (bei mir so) und im Freundeskreis. Wenn der engste Kreis (Familie, alle, engste Freunde) einfach keine Adventisten sind, was sollen dann die sozialen Verknüpfungen sein, die eine*n an die Organisation binden? Die Freunde werden hoffentlich immer Freunde bleiben, mit oder ohne gemeinsame Konfession.
Wenn dann noch die emotionale Verbundenheit mit der Kirche schwindet (von der theologischen mal ganz zu schweigen), wird’s echt dünn. Und ehrlich gesagt, mein/dein/unser Job ist es nicht die Adventgemeinde zu retten oder irgendwie durchzubringen. Ich verstehe, dass wir uns Gedanken über die Zukunft machen, nur Gott kommt mit, trotz oder ohne Adventgemeinde zum Ziel.
Mir ist die Kirchenorganisation nicht prinzipiell egal, mir fällt es nur unsäglich schwer, mit ihr eine Verbindung wie auch immer aufzubauen, anzudocken, ja, über meine Ortsgemeinde hinaus an meine Kirche anzudocken. Ich hab es nicht im Blut oder in meiner Geschichte oder meinen Erinnerungen oder Emotionen oder wo auch immer. Ich muss das künstlich erzeugen. Und das ist mir oft einfach zu anstrengend.
Hallo Kerstin,
danke für deine Gedanken. Find ich spannend, wie du deinen inneren (nicht) Zugang zur überregionalen Kirche beschreibst. Ich frage mich gerade, ob es eine Umfrage gibt, die die innere Bindung zur eigenen Kirche erhebt und darin auch zwischen Beziehung zur Ortsgemeinde und zu einer überregionalen Struktur unterscheidet. Hier in unserer Gegend wäre es bestimmt mal für die Zukunftsgestaltung interessant, welche Gründe in welchen Mengen für die Migtliedschaft in einer Ortsgemeinde angegeben werden.
Vielen Dank für den Beitrag, Ihr habt tolle Radio- bzw. Podcaststimmen.
Inhaltlich habt Ihr aber offenbar einfach das Problem, dass Ihr schlicht und ergreifend in der falschen Kirche seid. Die Adventgemeinde ist halt nicht so, wie sie Ihr Euch wünscht. Das vorgetragene Beispiel mit dem Verständnis der Adventgemeinde als lediglich gleichberechtigter Leib Christi neben anderen Glaubensgemeinschaften und die Feststellung, dass dies nicht der adventistischen Theologie entspricht, zeigt dies ja recht eindeutig,.
Nach dem Reinhören in einige Postcasts habe ich den Eindruck, dass Ihr versucht Euch Dinge schön zu reden, die so schön nunmal nicht sind.
War aber ganz interessant, mal etwas von meiner ehemaligen Glaubensgemeinschaft zu hören. Ein Sympathien für meine ehemaligen „Mitstreiter“ vom eher liberalen Flügel habe ich ja schon noch.
Allerdings vertrete ich nicht die These, dass die Adventgemeinde kurz vor einer „Scheidung“ steht. Ich gehe eher davon aus, dass die organisatorische Einheit erhalten beliebt aber dafür die Binnenkonflikte zunehmen.
Unabhängig davon meinen herzlichen Respekt für Eure Arbeit und weiterhin viel Erfolg für Euren Weg
Karsten
Hallo Karsten, vielen Dank fürs Kommentieren und die Komplimente.
Deine Gedanken zur Gesamtsituation und deine These finde ich spannend, weil ich mir eben auch nicht sicher bin, wofür einzusetzen sich lohnt und was man gar nicht verändern kann.
Was die Frage nach dem eigenen Absolutheitsanspruch angeht, scheint es mir innerhalb der Kirche unterschiedliche Positionen zu geben. Möglicherweise gibt es auch regionale Unterschiede (ost?/west?/süd? oder auch nach Bundesländern sortiert?) Ich habe in meinen sieben Jahren als Pastor in Sachsen und Berlin erlebt, dass es Ortsgemeinden gibt, die durchaus ein Neben- und Miteinander mit anderen Kirchen gut hinbekommen. Auf Landesebene gibt es in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen seit 26. Mai 2019 einen Beschluss, dass man dort die Vollmitgliedschaft in den ACKs bzw. den änlichen Gremien anstreben soll. Und das ist für mich nur ein Ausdruck dafür, dass die Mehrheiten in diesem Gebiet so sind, dass man sich ein Miteinander wünscht und andere Christen nicht als Christen zweiter Klasse ansieht.
Die Crux ist natürlich, dass sich das nicht einfach in ein “adventistisches Dogma” (was es formal ja eigentlich nicht gibt, aber wie man vielleicht unsere 28 Glaubenspunkte sehen könnte) gießen lässt, oder eben ein altes Dogma aufheben kann. Denn die Weltkirche wird sich – aus der Perspektive bin ich ganz bei dir – so schnell nicht in diesem Punkt verändern. Aber für die allermeisten Gemeindeglieder zählt die Wirklichkeit ihrer Ortsgemeinde und nicht, was in Silver-Springs entschieden wird. Da bin ich dann schon wieder beim Thema Spaltung. Wenn die Weltkirchenleitung dagegen insistiert, wird es mindestens einen größeren Mitgliederschwund geben, von denen, die keine Lust mehr haben auf Abgrenzung zu anderen Christen. Wenn es aber sogar die Mehrheit der Adventisten in einer Region ist, dann denke ich, entstehen interessante Konstellationen und entweder neue theologische Fixierungen oder neue unabhängige Gruppen.
Eine Verständnisfrage hätte ich noch: Meinst du mit “Binnenkonflikten”, dass die Kirche sich nicht öffnen wird, sondern stattdessen in weitere Teile zerfällt, von denen jeder für sich die Wahrheit beanspruchen möchte?
Bei all den Gedanken: Danke für den spannenden Kommentar und Dir alles Gute auf Deinem Weg,
Stephan
Hallo Stephan, hallo heilig.berlin-Team,
ja, mit den Binnenkonflikten meine ich in der Tat, dass die organisatorische Einheit zwar erhalten bleiben wird, die internen Auseinandersetzungen aber zunehmen.
Organisatorisch spalten wird sich Eure “Freikirche” schon deshalb nicht, weil sie eine gute Infrastruktur hat, die man nicht einfach so aufgibt. Die eigentliche auch nach außen hin anerkannte Stärke der Adventgemeinde ist ja nicht so sehr deren Theologie, sondern die gute (vor allem ehrenamtliche) Gemeindearbeit und die daraus erwachsenden sozialen Strukturen.
Insofern vermute ich einfach mal, das alle organisatorisch beieinander bleiben werden, Ihr dafür aber mehrere Flügel haben werdet, die überhaupt nicht zueinander passen. Hauptproblem bei so einer Konstellation ist dann halt, dass zumindestens eine Richtung es von ihrem Selbstverständnis her nicht akzeptieren kann, dass es auch andere Meinungen als die eigene, die dann natürlich auch ganz selbstverständlich zugleich „Gottes Wille“ ist, geben kann.
Ich wüsste da auch keine Lösung, aber da die Konservativen ja seit 30 Jahren die Angewohnheit haben, sich ständig untereinander selbst zu zerlegen, könnt Ihr ja versuchen, die Konflikte auszusitzen. Man braucht halt nur etwas Nerven und es sollte einem die Sache wert sein.
Herzliche Grüße, Karsten
Hallo Karsten,
spannende Gedanken und beim letzten Absatz musste ich wegen der Option „Aussitzen“ und dem beschriebenen Drang sich selbst zu zerlegen Schmunzel.
Über die sozialen Strukturen als Bindemittel werde ich wohl noch ein Stück nachdenken. Ich bin mir nicht sicher, ob das auch für die Generation unter 40 gilt. Mir scheint, die Leute können sich recht freihändig in ganz unterschiedlichen Kirchen bewegen und haben oft auch über die eigene Kirche hinaus einen Freundeskreis.
Mal schauen, was sich so tut. Oder nicht tut.
Liebe Grüße, Stephan